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Bildung & Begegnung, BNE-Arbeitshilfen der BZSH, Kooperationen

Bibliotheken und Nachhaltigkeit I: Kultur und Umweltbildung

2021-12-16, 15:43

Den Anfang macht ein Diskurs zu Bildungsansätzen, die bei Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) jeweils eine wichtige Rolle spielen, aber von unterschiedlichen Zielen, Themen und Methoden geprägt sind: Kulturelle Bildung und Umweltbildung.

"Weniger vermitteln und mehr entdecken“ - so lautete die Erkenntnis, wie sie sich vor knapp zwei Jahren aus dem 5. Forum Bibliothekspädagogik in Leipzig erschließen ließ. Manche Gedanken davon tauchten jetzt bei der Online-Fachkonferenz „Umweltbildung und Kulturelle Bildung zusammendenken“ wieder auf – und lassen sich erneut auch im Blick auf Bibliotheken weiterentwickeln. Impulse aus dieser Veranstaltung und daran anknüpfende Gedanken speziell für die Praxis in Bibliotheken werden hier zusammengefasst:

In ihrem Auftakt-Referat ging es Frau Prof. Dr. Susanne Keuchel zunächst darum, die Begrifflichkeiten genauer anzuschauen und zu differenzieren – auch wenn sich dabei manches einer klaren und eindeutigen Definition entzieht. 

Kulturelle Bildung wurde von ihr dargestellt als eine Bildung, die sich in Kultur vollzieht – also nicht „zur Kultur erzieht“, wie es früher oder manchmal auch heute noch hier und da verstanden wird. Das beinhaltet vor allem Chancen zur Teilhabe und setzt bei den ganz verschiedenen Stärken und Talenten der Menschen an, geschieht also ressourcen- und subjektorientiert. 

Daraus ergibt sich: Kulturelle Bildung ist ein offener Prozess, lässt immer mehrere Perspektiven zu und entzieht sich so einer vorgefassten Zweckbindung. Im Unterschied dazu geschieht Umweltbildung eher mit einer Gesellschaftsperspektive und benennt mit dem Wissen um ökologische Zusammenhänge konkrete Bildungsziele.

Wo beide Ansätze einander begegnen und berühren – so z.T. auch in Bibliotheken, sofern sich diese besonders für Nachhaltigkeits-Themen engagieren – können die Unterschiede als ein produktives Spannungsverhältnis genutzt werden, in dem das eine das andere anregt und zur Weiterentwicklung bewegt. Etwas grundlegend anderes wäre dagegen eine Vermischung von beidem. Denn diese würde die jeweiligen Chancen eher begrenzen als stärken.

Das fordert von allen, die an solchen Schnittstellen arbeiten, ein besonderes Bewusstsein für das was man tut und lässt in der Gestaltung von Bildungsangeboten.


Reflektieren, imaginieren, transformieren

Im zweiten Vortrag brachte Prof. Dr. Daniel Fischer dazu weitere Aspekte mit in den Diskurs ein:

Für ihn bildet die Frage nach der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse – heute wie in Zukunft - einen Schlüssel beim Thema Nachhaltigkeit, wobei er sich auf das Bedürfnismodell von Manfred Max-Neef bezieht: Freiheit, Zuwendung, Schutz, Kreativität u.a. gehören dazu. Untrennbar damit verknüpft ist die Frage nach Konsum, der verspricht, solche Bedürfnisse zu befriedigen.

Dringend nötige Änderungen beim Konsumverhalten erfordern also einen kulturellen Wandel, durch den erfahrbar wird, wie die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse auch ohne bzw. mit weniger Konsum gelingt und dabei keineswegs zu Mangelerscheinungen führen muss.

Ein Mehr an Bildung – auch das wurde in den letzten Jahrzehnten deutlich – hat dabei bislang offenbar nicht zu einem nachhaltigeren und konsumkritischeren Verhalten geführt. Gert Biesta stellt dazu fest: Wir brauchen mehr Bildung im umfassenden, nicht allein kognitiven Sinne. Er warnt vor einer „Lernifizierung“ oder Instrumentalisierung, wenn durch eine falsch verstandene Bildung vorrangig bestimmte Zwecke und Interessen bedient und gestärkt werden sollen. Auch Bildungsangebote, die auf die Nachhaltigkeits-Ziele ausgerichtet sind, stehen mitunter in der Gefahr, hieraus vorrangig eine Zweckbindung abzuleiten – und damit das Wesen von Bildung für nachhaltige Entwicklung zu verfehlen.

Kulturelle Bildung, die ein Reflektieren, ein Imaginieren ("Wie könnte was anders sein?") und ein Transformieren erprobt und wirksam werden lässt, bietet hierbei ein enormes Potential.

Praxis-Beispiele, die im Laufe der Fachkonferenz u.a. genauer betrachtet wurden:


Bildung in Bibliotheken bewusst gestalten und unterscheiden

Was – so lässt sich im Anschluss an die Fachkonferenz fragen – bedeutet das nun für die Arbeit in Bibliotheken?

Drei Thesen:

  1. Bibliotheken müssen sich mit ihren Aufgaben als Informationsvermittlerinnen, als Orte des kulturellen Erlebens wie als Partnerinnen der non-formalen Bildung die Unterschiede der verschiedenen Bildungsansätze deutlich bewusst machen, um gerade die Spannung zwischen den verschiedenen Aufgaben als Chance zu begreifen.
  2. Damit ihnen das professionell gelingt, ist eine Zusammenarbeit und Kooperation mit sorgfältig ausgewählten Partnern – wie z.B. Kunstschaffenden – unverzichtbar, und zwar mit aller Offenheit für das Prozesshafte einer solchen Zusammenarbeit. Das erfordert eine aufmerksame Kommunikation und ein Vertrauen in nicht immer klar vorhersehbare Entwicklungen.
  3. Gerade durch das so heterogene Aufgabenspektrum von Bibliotheken ist es umso wichtiger, sich für die selbst gestalteten Bildungsangebote immer wieder genau zu überlegen, nach welchem Ansatz diese durchgeführt werden sollen, etwa im Blick auf die Teilhabemöglichkeiten, die Gestaltungsfreiheit und die Ergebnisoffenheit im Prozess des gemeinsamen Entdeckens.

Bei Projekten bzw. Projektbausteinen der Büchereizentrale Schleswig-Holstein wie „Das weiße Blatt“, „Baumzauber“, „Stimmen zum Klima“ oder „Wildwuchsgeschichten“ sind all diese Überlegungen bereits mit eingeflossen und erlauben nun ein Weiterdenken und Entwickeln auf der Basis der bislang gesammelten Erfahrungen. Ende offen...

Zur Fortsetzung: Bibliotheken und Nachhaltigkeit II

Siehe auch Präsentation zum Thema hier:

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